Geschichte der osmanen
  Türkische Völker 2
 

Räumliche Verbreitung

Die Gesamtheit der Angehörigen der Turkvölker wird heute auf ca. 200 Millionen Menschen geschätzt. Ihr Siedlungsgebiet reicht vom Balkan, über den Vorderen Orient, Zentralasien, Russland, Iran, China und Mongolei. Daneben gibt es bedeutsame Bevölkerungsgruppen in Westeuropa, Australien und den USA, die in der neueren Zeit dort hin immigriert sind.

Geschlossene turksprachige Gebiete bestehen in Turkestan (Turkmenen, Usbeken, Uiguren, Kasachen, Karakalpaken, Kirgisen), Anatolien (Osmanen bzw. „Türkei-Türken“) und Aserbaidschan. Viele Turkvölker leben verstreut im Wolgagebiet (Wolgabulgaren, Baschkiren, Tataren, Tschuwaschen), auf der Krim (Tataren) und im Kaukasusgebiet (Nogaier, Kumyken, Karatschaier, Balkaren). In Bessarabien (Moldawien bzw. Moldau) lebt der christlich-orthodoxe Volkstamm der Gagausen, die zu den Osmanen zählen. Eine systematische Klassifikation ist unter Turksprachen zu finden.

Gegenwärtig existieren sechs turksprachige Länder: Aserbaidschan, Kasachstan, Kirgisistan, Turkmenistan, Türkei und Usbekistan. Die Türkische Republik Nordzypern wird nur von der Türkei und Bangladesch diplomatisch anerkannt. Daneben gibt es mehrere autonome Turkrepubliken und -regionen in der Russischen Föderation: Republik Altai, Baschkortostan, Tschuwaschien, Dagestan, Chakassien, Karatschai-Tscherkessien, Tatarstan, Tuwa und Sacha. Jede dieser autonomen Turkrepubliken besitzt ihre eigene Flagge, ein eigenes Parlament, eigene Gesetze und eine offizielle Staatssprache.

Zwei autonome Regionen existieren darüber hinaus in China und Moldawien. Xinjiang, auch bekannt als „Ostturkestan“, wird zu einem großen Teil von einem Turkvolk bewohnt. Die autonome Region Gagausien liegt im Osten von Moldawien an der Grenze zur Ukraine.

Zu Verbreitungsgebieten ohne Autonomie zählen Gebiete im Iran, Nord-Irak, Georgien, Bulgarien, Griechenland, Mazedonien, Tadschikistan, Afghanistan und im Westen der Mongolei. Die Türken bilden das zahlenmäßig größte Turkvolk, dann folgen die Aserbaidschaner.

Trotz der weiträumigen Besiedlung bestehen zwischen den einzelnen Turkstaaten und Turkvölkern kulturelle und historische Gemeinsamkeiten, die größte stellt die Sprache dar: Das Türkische der Türkei steht dem der meisten Turkvölker nahe.[7]

Sprachlich bildeten und bilden die Turkvölker trotz der weiten Ausdehnung ihres Lebensraumes – bei Berücksichtigung zahlreicher Eigentümlichkeiten der Turksprachen – insofern eine Einheit, als auch heute die Türkei-Türken in den ethnischen und sprachlichen Kontext der Turkvölker insgesamt gestellt werden können.[4]

Innerhalb der Turkvölker existieren phänotypische Unterschiede. Während der südwestliche Zweig (Türkei-Türken, Aserbaidschaner, kaukasische Turkstämme) sich äußerlich nicht von den übrigen Ethnien im Mittelmeerraum unterscheidet, gleichen die Völker des östlichen Zweiges (Kasachen, Kirgisen, Karakalpaken sowie die altaiischen und sibirischen Völker) ihren ostasiatischen Nachbarn.[8]

Die Unterschiede sind geschichtlich bedingt. Während der Westwanderung der Turkvölker haben diese sich mehreren Reichen angeschlossen und später auch selbst mehrere Reiche gegründet. Die autochthone, unterworfene Bevölkerung wurde dabei in manchen Fällen kulturell assimiliert. Colin Renfrew spricht in diesem Zusammenhang von einem élite dominance process, bei dem eine siegreiche Minderheit ihre Sprache und zum Teil auch ihre Kultur auf die unterworfene Mehrheit überträgt. Viele Türken wurden aber auch selbst assimiliert und gingen in anderen Kulturen und Sprachgruppen auf. Als Beispiel sollen hier die mittelalterlichen Dynastien der Ghaznawiden und Mamelucken sowie einige Prinzen der Seldschuken genannt werden.

 

Geschichte

Im Laufe der Jahrhunderte formierten die nomadischen Turkvölker Steppenimperien, die teilweise sehr kurzlebig waren. Später stellten sie als Militärsklaven einen wichtigen Teil der muslimischen Kalifenarmeen und des Samanidenreiches, aus denen die ersten muslimischen Turkdynastien hervorgingen, unter anderem die Ghaznawiden oder die indische Sklaven-Dynastie.[2]

Die ersten Imperien der Turkvölker stellten lose Verbünde von verschiedenen Turkstämmen dar, die durch gemeinsame Interessen zusammengehalten wurden. Der Grund für den Zusammenschluss der einzelnen Nomadenstämme und deren Westwanderung war möglicherweise die ständige Suche nach Weideland und Wasser.

In der Ursprungsheimat der Turkvölker lebten noch diverse andere Steppenvölker, die das Reich der Chinesen bedrohten. Kaiser Shi Huang Ti ließ angesichts dieser Bedrohung die Große Mauer bauen, um den mächtigsten unter diesen Völkern, den Hsiung-nu den Weg in die fruchtbaren Gebiete in China zu versperren. Nach der Vervollständigung des Werkes wandten sich die Hsiung-nu dem Westen zu und übten stärkeren Druck auf die anderen Nomadenstämme aus. In ihrem Marsch gen Westen zogen die Hunnen u. a. Skythenstämme und andere Iranier sowie Ostgermanen mit sich.[3]

Das Machtvakuum, das die Hunnen bei ihrer Westwanderung im 4. Jahrhundert hinterlassen hatten, füllten die Türken aus dem Selengatal aus. Das erste Reich der Türken, das durch schriftliche Quellen gestützt wird, war das Reich der Göktürken. Es hatte von 552 bis 745 Bestand und stellte einen losen Verband von Turkstämmen dar. Sie erstreckte sich von der chinesischen Grenze bis zum Kaspischen Meer. Die Geschichte des Reiches wurde in den Orchon-Runen für die Nachwelt festgehalten.[9]

Nach der Zerschlagung des mongolischen Schuschan-Reiches wurde das Göktürken-Reich im Jahre 552 nach Christus durch Bumin Qa?gan gegründet. Das Reich reichte vom Chingangebirge bis nach Transoxanien. Erstmals taucht in dieser Zeit die Erwähnung des Namens Türke auf.

Die Chinesen bezeichneten mit T'u-küe oder Tür-küt (deutsche Übersetzung: die Mächtigen) die turksprachigen Völker in ihrer Gesamtheit als Türken. Das Reich schloss mit den Sassaniden in Iran einen Bündnis gegen die Hephthaliten. Nach der Zerschlagung der Hephthaliten stritten sich die ehemaligen Bündnispartner über die Aufteilung der Beute.[10] Das Reich der Göktürken zerfiel nach kurzer Zeit in einen westlichen und einen östlichen Teil und wurde schließlich von mittelasiatischen Turkvölkern zerstört.[5]

744 n. Chr. ersetzte das Reich der Uiguren das Reich der Göktürken. Die Uiguren waren das erste Turkvolk, das in seiner Gesamtheit eine Hochreligion annahm. Zuvor waren sie wie alle anderen Turkvölker Anhänger des Tengrismus. 762 n. Chr. traten sie zum Manichäismus über.[11]

Die Uiguren wurde ihrerseits von dem Turkvolk der Kirgisen aus ihrem Reichsgebiet vertrieben. Nach ihrer Vertreibung errichteten die Uiguren zwei Reiche, im Tarimbecken und in China. Das Reich im heutigen Turkestan wurde 1028 n. Chr. von den Tanguten, einem tibetischem Volk, vernichtet.[11]

Die Chasaren, ein anderes Turkvolk, errichteten zwischen dem 7. und 11. Jahrhundert n. Chr. in Südrussland ein Reich. Die Herrscherschicht bildeten Türken, die Bevölkerungsmehrheit rekrutierte sich aus einem Oguren-Volk.[12]

Die Karachaniden bildeten das erste Turkvolk, das im 10. Jahrhundert zum Islam übertrat. 999 n. Chr. eroberten sie Buchara und stürzten die Samaniden. Im 12. Jahrhundert wurde ihr Reich wiederum von den mongolischen Kara Kitai zerstört.[13]

Im 9. Jahrhundert haben vermutlich die Mongolen die Türken aus ihrer Urheimat vertrieben. Ab dem Zeitpunkt lebten keine Türken mehr in der heutigen Mongolei.[14]

Nach der Ausbreitung des Islam im 8. Jahrhundert in Mittelasien wurden viele Türken zum Islam bekehrt.[15] Eine zentrale Rolle spielte dabei der Dschihad der Samaniden gegen zentralasiatische Nomaden, welcher jedoch im Kern politisch motiviert war und der Vergrößerung der eigenen Armee gedient hat. Die ersten muslimischen Türken waren – mit wenigen Ausnahmen – konvertierte Militärsklaven im Dienste der Samaniden und später der abbasidischen Kalifen. So kam es auch, dass das erste von einem muslimischen Türken gegründete Großreich aus den Reihen jener Militärgeneräle hervorging: die Sultane von Ghazna. 961 n. Chr. gelang Alptigin, ein ehemaliger Militärsklave im Dienste der Samaniden, an die Macht und löste den verstorbenen Herrschers Abd al-Malik in Balch (heute Nordafghanistan) als regionalen Fürst ab. Von Balch aus eroberte er große Gebiete in Chorasan. Als der eigentliche Begründer der Dynastie gilt jedoch sein Sohn Mahmud (989-1030). Obwohl die Ghaznawiden ethnische Türken waren, lassen historische Dokumente und Biographien jedoch stark daran zweifeln, dass sie sich selbst auch als solche gesehen haben. Als eine persischsprachige Familie, die auch kulturell von der einheimischen Bevölkerung Chorasans assimiliert worden war, waren die Ghaznawiden der Anfang eines kulturellen Phänomens innerhalb der muslimischen Gesellschaft, welches erst mit dem Siegeszug der späteren Osmanen (s. u.) sein Ende fand: Nachkommen nomadischer Turkstämme wurden zum Islam bekehrt, übernahmen daraufhin die persische oder arabische Sprache und verbreiteten nun selbst diese Kultur in andere Regionen (Indien, China, Anatolien). [16]

Die gefährlichsten Feinde der Ghaznaviden waren wiederum ein Turkvolk, die Seldschuken.[15]

Als die Araber Transoxanien eroberten, gerieten einige turkische Stämme unter arabische Gefangenschaft. Fortan dienten sie den abbasidischen Kalifen als Sklaventruppen.[13] Die Mamelucken, überwiegend türkische Militärsklaven, rissen in Ägypten die Macht an sich und herrschten fast 300 Jahre lang, bis sie von den ebenfalls türkischen Osmanen unterworfen wurden.[17]

Die heutigen Türken in der Türkei sehen sich selbst als Nachkommen jener osmanischen Türken. Diese wiederum waren Angehörige der sogenannten Westtürken der Oghuz. Der Ursprung der Oghusen liegt in der heutigen Mongolei. Während der Herrschaft der türkischen Seldschuken über große Gebiete in Anatolien wanderten aus dem Osten türkische Stämme nach Anatolien ein.[18]

Die Osmanen waren ursprünglich ein kleiner turkmenischer Stamm, dem der Sultan der Rum-Seldschuken ein kleines Fürstentum (türk. Beylik) an der Grenze zum Byzantinischem Reich überließ.[17]

Mit dem Aufkommen des Nationalismus waren die Türken die ersten islamischen Völker, die die westlichen Ideen des Liberalismus und der Säkularität aufgriffen. Gegen Ende des 19. Jahrhundert wurden die Ideen durch tatarische Intellektuelle wie Ismail Gaspirali und Yusuf Akçura aufgegriffen und weiterentwickelt. Beide gehörten der tatarischen Minderheit im Russischen Reich an und ihre Arbeit ist wohl als Antwort auf den aufkommenden Panslawismus zu werten.

Die ersten demokratischen Turkstaaten wurden in Idel-Ural (1917), Aserbaidschan (1918), jedoch wurden beide Staaten von der Sowjetunion annektiert. 1923 wurde die Türkei gegründet. Weitere sind die Republik Hatay und Republik Gumulcine.

Siehe auch: Turkstaat

 

Kultur

Die Kulturen, traditionellen Wirtschaftsformen und Lebensweisen der Turkvölker sind vielfältig, und ihre Geschichte ist vielschichtig.

 

Schrift und Sprache

Die Turkvölker benutzten ab Mitte des ersten Jahrtausends ihre eigene Schrift, wie die Orchon-Inschriften oder das Uighuren-Alphabet beweisen. Letzteres stellt in der späteren Version eine modifizierte Schreibweise der arabischen Schrift dar.

Siehe auch: Turkische Lateinalphabete

Die Turksprachen werden in vier Gruppen eingeteilt[19]: 1. Die südwestliche Gruppe (oghusisch): umfasst Aserbaidschan-Türkisch (Republik Aserbaidschan, Südaserbaidschan im Iran), Gagausisch (Moldawien, Ukraine, Rumänien, Bulgarien), Türkei-Türkisch (Türkei, Balkan, Irak), Turkmenisch (Turkmenistan, Afghanistan, Iran), südoghusische Dialekte (Iran).

2. Die nordwestliche Gruppe (kyptschakisch): Baschkirisch (Baschkirien/Russland), Karaimisch (Litauen, Ukraine, Polen), Karakalpakisch (Usbekistan), Karatschaisch-Balkarisch (Kaukasus), Kasachisch (Kasachstan, Xinjiang/China), Kirgisisch (Kirgisistan, Xinjiang/China), Krimtatarisch (Krim, Usbekistan), Kumückisch (Kaukasus), Nogaisch (Kaukasus), Tatarisch (Tatarstan/Russland)

3. Die südöstliche Gruppe (Türki-Gruppe): Uigurisch (Xinjiang/China), Usbekisch (Usbekistan)

4. Die nordöstliche Gruppe (sibirische): Altaisch („Oirotisch“, Altai), Chakassisch (Chakassien), Dolganisch, West-Yugurisch (Gansu/China), Schorisch, Tofalarisch („Karagassisch“), Tschulymisch, Tuwinisch (Tuwa, Xinjiang/China), Jakutisch (Jakutien)

 

Religion

Heute sind die meisten Angehörigen der Turkvölker Muslime, die Mehrheit wiederum Sunniten und Aleviten. Aber es gibt unter ihnen auch Angehörige anderer Religionen wie z. B. naturreligiöse Schamanisten, Buddhisten, Juden und Christen.

 

 

 

 

 

 
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